Herz, Hirn und Handwerk

Irgendwie fing alles auf einer Weihnachtsfeier Ende der 80er Jahre an. Als der Agenturchef Hartwig Glanzer, der seinerzeit meine Mutter als Texterin beschäftigte, zu vorgerückter Stunde in seinem charismatischen Österreichisch meinte: “Wenn Sie nur halb so gut sind wie Ihre Frau Mama, können Sie bei mir anfangen.”

Ich war weder halb, noch viertel, noch ein Bruchteil so gut wie Mutter Geiger. Denn sie war richtig gut und ich vollkommen unerfahren.

Einer der ersten Headlines, die ich dann geschrieben habe, lautete “Haben Sie wirklich schon genug am Hals?”. Ich war jung und brauchte das Geld und der Einzelhändler Betten Friz in Heilbronn einen Text für ein Plakat, mit dem er Krawatten verkauft.

25 Jahre später könnte mich Hartwig Glanzer langsam aber sicher einstellen. Denn ich habe ein paar Runden in der Kommunikationsbranche gedreht. Vom Junior zum Senior zum Grouphead zum CD. Ich habe das Ende von Letraset und den Beginn des Internets erlebt.

Ich war quasi schon alles in einer Werbeagentur. Nur nicht Kunde oder Art. Ich war fest, frei, fest-frei, Geschäftsführer Kreation und Agenturinhaber – und weiß dadurch vor allem eines: wie man eine Agentur nicht führt.

Neugierig wie ich bin, habe ich aber noch ein paar ganz andere Sachen jenseits des Tellerrandes gemacht, die glaube ich weder mir, noch der Sache geschadet haben: einen Spielfilm gedreht zum Beispiel, dessen Idee von mir stammte und für den ich das Drehbuch mitgeschrieben habe. Die ein oder andere Rock-Platte aufgenommen. Regie für Werbe- und Portraitfilme geführt. Oder 1 1/2 Jahre lang die Kreativdirektion für die Coverfotografie des Stadtmagazins Lift übernommen. Mich über 10 Monate in ein Theater-Ensemble und schließlich auf die Bühne getraut. Oder bei der Stuttgarter Instanz kessel.tv mitgebloggt – und mit dem Mops ein kleines Stück Stadtgeschichte(n) mitgeschrieben.

Letztes Jahr ist wieder etwas ganz Neues und Aufregendes passiert: mein erster Roman “autoreverse” ist erschienen und das Feedback war überwältigend.

Dann schaute ich irgendwann in den Kalender und stellte fest: Huch Jubiläum! 25 Jahre Branchenzugehörigkeit. Ein guter Zeitpunkt, mal darüber nachzudenken, was
gute Kreation ausmacht.

Ich glaube, es sind Herz, Hirn und Handwerk.

Das Herz ist heute wichtiger denn je. Früher habe ich alles gemacht. Zur Belohnung durfte ich dann zum Beispiel den Verband Deutscher Kachelofenbauer betreuen. Heute mache ich alles, was ich mache, mit Herzblut. Und alles, wo ich kein Herzblut vergießen möchte, mache ich lieber nicht.

Denn Herz heißt, dass ich die Dinge gut machen will und das geht nur, wenn ich sie gerne mache. Deshalb sage ich lieber einmal zu viel “Och nö.” Dafür können alle die, zu denen ich “Au ja” sage, auch sicher sein, dass ich mich reinknie und mein Herz mitbringe.

Hirn heißt für mich, über die Dinge nachzudenken und sie aufrichtig und richtig zu machen. Kommunikation ist kein Small-Talk, bei dem man sich verplappert und nachher dafür entschuldigt. Die Dinge, die wir sagen und wie wir sie sagen und in welcher Lautstärke – sie haben eine Wirkung. Und damit auch eine Verantwortung.

Ab und zu höre ich das Feedback “das gefällt mir nicht”. So gut wie nie höre ich dagegen “das stimmt so nicht.” Das kommt davon, wenn man vorher drüber nachdenkt und sich reinfuchst. Wenn man sich und den anderen Fragen stellt, die sich nicht mit Powerpoint-Antworten aus dem Briefing klären lassen. Natürlich braucht mehr Hirn auch mehr Zeit, dreht dafür aber auch weniger Runden.

Handwerk schließlich hat für mich viel mit Erfahrung zu tun. Man lässt sein Dach ja auch lieber von jemandem decken, der das schon ein paar Mal gemacht hat.
Ich bewundere viele junge Menschen für ihr Talent und ihre Unbekümmertheit. Und oft frage ich mich: wie kommt man nur auf sowas? Wie kann man denn bitteschön so gut sein?
Aber so wie der Nachwuchs keine Erfahrung simulieren kann, kann und will ich nicht dauerhaft achtzehn sein. Ich mache Sachen sau gerne zum ersten Mal – aber das eben schon ziemlich lange.

Dafür liebe ich es, mich mit jungen Fotografen, Gestaltern, Designern, Filmern zu verbinden – und das zusammenzubringen, was beide ausmacht. Auch das finde ich, ist Handwerk: ich kann ein paar Dinge, aber viel mehr kann ich nicht. Aber ich weiß oft, wo jemand wohnt, der sie kann.

Und noch etwas bringt diese ganze Erfahrung übrigens mit sich: eine hohe Fehlerquote. Nicht im Jetzt, sondern im Erfahrungsschatz. Wer viel macht, macht auch viel falsch. Wenn er smart genug ist, aber immer nur ein einziges Mal. So gesehen bin ich froh, dass ich in den letzten 25 Jahren viele schöne Fehler machen durfte.

Den “Flop des Monats” im Branchenfachmagazin Horizont musste ich mir nämlich genauso hart erarbeiten wie die Auszeichnung des Deutschen Designer Clubs. Geblieben ist in beiden Fällen jeweils eine weitere Seite der Bedienungsanleitung: So geht’s. Und so nicht.


Ein echter Geiger. Klassiker ca. 1986

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